· 

Und überall diese Fische

Bei uns zu Hause gab es damals am Karfreitag immer Fisch! Während meine beiden Brüder und mein Opa darüber murrten, waren die übrigen Familienmitglieder hoch erfreut, dass es auch noch Kartoffelbrei mit Spiegelei und Spinat dazu gegeben hat. Letzteres hätte man meinetwegen ruhig weglassen können, aber es war ja Karfreitag und nicht Wunschtag.

Irgendwie fand ich diesen Karfreitag gar nicht so schlecht. Erstens: war schulfrei, zweitens war es der letzte Tag dieser leidigen "Süßigkeiten-Fastenzeit". Am Samstagnachmittag durften wir dann endlich wieder an unsere wochenlang gesammelten Süßigkeitenschätze.

 

Als Teenie fand ich diesen Karfreitag dann gar nicht mehr so toll. Morgens wurde bei uns auf dem Hof noch gearbeitet, und zwar so eifrig und hektisch als ob man eine Weltmeisterschaft gewinnen müsste. „Wettbewerb für Germanys Next Top-Hof" - würde man es heute wohl nennen. Alles wurde geputzt, gewaschen und gefegt. Zu Ostern sollte es alles schön sein. Verwandte wurden zu den Feiertagen eingeladen und vielleicht fuhr der eine oder andere zu Ostern mit dem Auto auch „spekulieren“: man sitzt allein oder auch zusammen mit anderen im frisch gewaschenen Auto, fährt im 2. Gang gaaaanz langsam durch die Gegend und guckt herum.

Ich als Mädel hatte daheim vor solchen Feiertagen wie z. B. Ostern für die sauberen Fenster zu sorgen. Damals war ich der Auffassung, dass niemand, wirklich niemand, so viele und so große Fenster wie wir im Haus hatten. Da musste sich der Maurer wohl vertan haben. Nach dem besagten Fisch-Mittagessen noch schnell die beiden Familienautos polieren und aussaugen. Sodann, nachdem man sich selbst mit der neuen Sommerjacke - egal ob´s draußen noch s….kalt war - ausgehfein gemacht hatte, mit Oma zur Kirche.

 

Oh, war die Leidensgeschichte von Jesus traurig ….

… und ist es für mich auch heute noch. Sie hat sich in den 2000 Jahren nicht geändert, auch wenn ich sie mit meinen heutigen Gedanken höre. Gefühlt waren nur Verräter und Feiglinge unterwegs. Tausende folgten Jesus, glaubten an ihn, seine Worte und an das Gute. Und dann änderte sich alles. Niemand hat ihm so recht geholfen. Sie schrien nur noch: „Kreuzigt ihn, kreuzigt ihn ….!“ Nur ein paar wenige trauten sich: Sie halfen ihm auf, als er mit diesem schweren Kreuz stolperte, gaben ihm etwas zu trinken. Ganz am Ende sagte Jesus selbst: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Am Abend zuvor hat Jesus noch gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Freunden bei Brot und Wein zusammengesessen. Alles schien friedlich und harmonisch. Aber es zeichnete sich ab, dass da „was im Busch“ ist. Er selbst hatte es auch wohl geahnt; nein, er hat es gewusst.

 

Jetzt war Jesus gestorben. Seine Freunde (die Jünger) und seine Mutter saßen zusammen und weinten. Sie trauerten um Jesus und wussten nicht, wie es weiter gehen sollte. Sie hatten auch Angst um sich selbst, waren sie doch allseits bekannte Freunde von Jesus und wurden nun deswegen gesucht und verfolgt. Wer würde sie verraten? Sie saßen dort in ihrem Versteck, sprachen miteinander und beratschlagten. Sie wussten nicht was, sie wussten nicht wie, sie wussten nicht wann…. . Ja, sie wussten erst einmal nicht weiter, aber eins wussten sie: Wir halten zusammen und wir tragen unsere Überzeugung, unseren Glauben, weiter in die Welt.

Damit sie weiter vertrauensvoll und mit weniger Angst miteinander reden konnten, entwickelten sie ein Geheimzeichen: den Fisch. Für dieses kleine Zeichen musste man nicht lesen oder schreiben können. Diesen kleinen unscheinbaren Fisch konnte jeder erkennen und deuten. Überall wo ein Fisch an einer Hauswand war, konnte man sich sicher sein: „Da wohnt ein Christ, eine Christin. Da bin ich sicher vor Angriffen jeglicher Art. Hier werde ich aufgenommen“. Dieses Zeichen wurde vor allem während der Christenverfolgung um ca. 60 n. Chr. verwandt.

Und wenn ich dann, mittlerweile als erwachsene Person im Jahre 2020, im „Homeoffice“ und unter dem allgemein geltenden Motto „der Norden bleibt zu Hause“, hier in der Märzsonne auf der Gartenbank sitze und in die Luft gucke, fällt mir wieder der Fisch ein: Einmal das Karfreitag-Fischgericht im Elternhaus, aber auch der Fisch in der Geschichte der ersten Gemeinden als Erkennungszeichen der Christen untereinander.

So fang ich an, einen Fisch aus Rosendraht und Buchsbaum zu basteln, so ähnlich wie ich ihn im letzten Jahr bei einigen Erstkommunionfamilien als Dekoration im Garten oder vor der Haustür gesehen habe. Ich möchte euch einladen, ebenfalls so einen Fisch für eure Haustüren zu basteln.

 

Diese unfassbare Corona-Krise, in der wir zurzeit stecken, ist irgendwie wie die damalige ungewisse Zeit der Jünger, die sie zwischen dem Tod und der Auferstehung und auch in der Zeit danach verbracht haben. Mit drei Tagen kommen wir Christen/innen im Jahr 2020 gewiss nicht hin, aber am Ende wird sich alles zum Guten wenden. Daran glaube ich.

Irgendwann werden wir wieder gemeinsam Gottesdienst feiern und uns die Hände zum Friedensgruß schütteln. Bleiben wir verbunden in Gedanken und im Gebet. Das wünsche ich Euch und Ihnen. auch im Namen meiner Kirchenvorstands- und Pfarrgemeinderats-kollegen/innen St. Katharina, Voltlage.

 

Vielleicht ist es Ihnen und Euch in kommenden Ostertagen möglich, „spekulieren“ zu fahren. Also: Im zweiten Gang gaaanz langsam „Fische-gucken-fahren“. Ich bin mir sicher, dass das Ihnen und Euch Freude und Abwechselung bereiten wird. Allerdings unter den vorgebenden und sicheren Verhaltensmaßregeln: im Familienverbund oder max. zu zweit, im Auto/mit dem Fahrrad, Mindestabstand 2 Meter …

 

Karin Bloom.

Download
Und Überall diese Fische.pdf
Adobe Acrobat Dokument 234.3 KB